Nahkampfausbildung der Fallschirmjäger – und Aufklärungseinheiten der NVA
Die „Militärische Nahkampfausbildung“ war Bestandteil der Gefechtsausbildung aller Einheiten der Landstreitkräfte der NVA. In den Fallschirmjäger- und Aufklärungseinheiten wurde sie besonders intensiv und hart durchgeführt. Man ging davon aus, daß die Nahkampfhandlungen einen Schwerpunkt in der Einsatztaktik dieser Einheiten im Gefecht darstellen.
1. Bedeutung des „Nahkampfes“ in der Gefechtsausbildung
Im HB für Fj steht sinnbildlich dazu : „Nahkampfhandlungen im Angriff und in der Verteidigung sowie zur Liquidierung von bewaffneten Gegnern haben für Fj sehr große Bedeutung. Fallschirmjägergruppen können in Situationen geraten, die sie zwingen, Mann gegen Mann zu kämpfen. Deshalb muß jeder Fj Kenntnisse und Fertigkeiten haben, die ihn befähigen, den Gegner mit oder ohne Waffe bzw. Hilfsmittel außer Gefecht zu setzen.“
Die Nahkampfausbildung der Fj/Akl der NVA war hart, brutal und kompromißlos. Sie war dafür gedacht gut ausgebildete feindliche Soldaten im Nahkampf zu überwältigen, gefangenzunehmen oder zu töten. Dies noch dazu schnell, sicher und geräuschlos. Als Gefechtsaufgabe der Fj-und Akl-Einheiten im Ernstfall war, neben den Aufgaben der Truppenaufklärung, der Kampf im rückwärtigen Gebiet des Gegners vorgesehen. Gefechtsaufklärung, Luftlande- und später auch Luftsturmeinsätze. Also hauptsächlich Ausbildung für Einsätze, welche man im Militär als „Kommandoeinsätze“ (im Landserjargon eher Himmelfahrtskommando) bezeichnet. Stoßtruppunternehmen, Überfall, Hinterhalt, Beobachtung, Einbringen von „Zungen“, Vernichtung/Zerstörung von Nachschubwegen, Führungsstellen oder Kernwaffeneinsatzmitteln, überraschendes Einnehmen und Halten von Brücken, Überwegen und anderen Schlüsselpositionen. Diese kurze Aufzählung stellt nur einen Teil der Gefechtsaufgaben dar, für welche die Fallschirmjäger der NVA trainiert und ausgebildet waren. Und dazu gehörte eben auch eine gute Nahkampfausbildung.
2. Elemente der Nahkampfausbildung der NVA
Die Nahkampfausbildung setzte sich aus verschiedenen Elementen zusammen.
1. Fallschule mit und ohne Waffen
2. Kampf Mann gegen Mann ( mit und ohne Waffen )
3. Postenüberfälle ( Überwältigung, Gefangennahme, Fessel- u. Transporttechniken sowie lautloses Töten )
4. Messer und Feldspatenwerfen
Die Techniken stammten teilweise aus dem althergebrachten „Militärischen Nahkampf“ (Gewehrfechten, Kampf mit Feldspaten, Messerkampf, Postenüberfälle etc.). Dazu kamen Elemente aus dem Boxen, Judo und Karate/ Gjog Sul. In den Anfangsjahren eher Judo/Jiu-Jitsu lastig, später mit mehr Elementen aus dem Karate/Gjog-Sul.
Die Nahkampfausbildung der NVA- Fj/Akl. war ihren Gefechtsaufgaben angepaßt und die Techniken zweckmäßig und höchst effektiv. Da die NK- Ausbildung ein Schwerpunkt der Gefechtsausbildung im FJB war, wurde sehr häufig und hart trainiert. Unter den Ausbildern gab es teilweise hervorragende Spezialisten im Nahkampf. Meist schon vor ihrer Armeezeit aktive Kampfsportler (Judokas, Boxer oder Ringer), kombinierten sie die dort erlernten mit den militärischen Techniken und entwickelten das Nahkampfsystem in der Praxis weiter.
Ein weiterer Faktor für die hohe Qualität und den hohen Standard der Nahkampfausbildung waren die Soldaten des FJB. Durchweg Freiwillige, mit einer Mindestdienstzeit von 3 Jahren, waren sie hochmotiviert und „handverlesen“. Um zu den Fallschirmjägern der NVA zu kommen, gehörte zur freiwilligen Verpflichtung zusätzlich die vormilitärische Fallschirmspringerausbildung der GST ( mind. 12 Sprünge ), Fahrerlaubnis, beste Tauglichkeit bei der Musterung (schon eine Brille bedeutete das „aus“) und gute sportliche Leistungen im Achtertest. Aufgrund der geringen Größe des Bataillons gab es wesentlich mehr Bewerber als angenommen werden konnten.
Wer es zu den Fallschirmjägern schaffte, gehörte also wirklich zur „Elite“.
Ein wesentlicher Grund sich zu den „Fallis“ zu melden, war neben der Fallschirmsprungausbildung auch die harte Nahkampfausbildung. Dazu kommt, daß ein großer Teil dieser jungen Männer ebenfalls aktive Kampfsportler waren. Die hohe Qualität der Nahkampfausbildung resultierte demnach aus den Faktoren :
– hoher Stellenwert der Ausbildung,
– gutes bewährtes und ständig modernisiertes NK-System
– hervorragend geschulte Ausbilder
– leistungsbereite und fähige Soldaten.
– hohe Intensität und lange Dauer der Ausbildung (3 Jahre)
Dementsprechend hoch war auch die Qualität der Ausbildung.
Die Männer, welche die spezielle Ausbildung der Fj/Akl in der NVA absolviert haben, können auch heute noch stolz sein auf ihre vollbrachten Leistungen Denn die meist verwendete Methode bei der Ausbildung der Fallis in der NVA war das „Gefechtsexerzieren“ sprich „Drill“. Das hieß fast immer Ausbildung bis zur physischen und psychischen Leistungsgrenze. Dies traf auch auf die Nahkampfausbildung zu. Da die körperlichen Voraussetzungen (Härte, Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit., Reaktion u.a.) in allen Zweigen der Gefechtsausbildung, sowie speziell in der Physischen Ausbildung (PhA), ständig trainiert und vervollkommnet wurden, konnte die Ausbildung im MNK darauf aufbauen und effektiv gestaltet werden.
Nach der Ausbildungseröffnung begann das NK-Training in der Regel mit einer speziellen Erwärmung (Lockerung, Dehnung, Schnellkraftübungen) sowie der Fallschule. Danach folgte das Techniktraining.
Grundsätzlich wurde die Härte und Geschwindigkeit der Techniken erst nach dem exakten Beherrschen der Bewegungsabläufe gesteigert. Im Techniktraining wurden neue Techniken vermittelt und erlernt, sowie schon vorhandene Techniken weiter gefestigt und trainiert. Es wurde sehr viel Wert auf die saubere, exakte und wirkungsvolle Ausführung der erlernten Kampftechniken gelegt. Dies war aus Gründen der Sicherheit besonders wichtig um den Übungspartner nicht zu gefährden. Die Härte der Schläge und Tritte wurde vorrangig an speziellen Übungsgeräten (Nahkampfpuppen aus Vollgummi, Boxsäcken bzw. Schlagpfosten) trainiert. Im Partnertraining bzw. Freikampf wurden die Techniken kurz vor dem Gegner abgestoppt, was hohes Können voraussetzte, bzw. wurden mit Schutzausrüstung (Schlagweste „Galapagos Lehninus“) zur Erhöhung der Angriffswirksamkeit trainiert.
Die in der Nahkampfausbildung erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten wurden in der weiteren Gefechtsausbildung ständig weiter vervollkommnet.
Auf Grund der speziellen Aufgaben der Fallschirmjäger lag der Schwerpunkt dabei bei den sogenannten „Kommandotechniken“. Das Ausschalten bzw. Überwältigen gegnerischer Posten sowie militärische Nahkampfhandlungen im Kampf Mann gegen Mann bei Überfällenund anderen Kampfhandlungen, gehörten somit zur „Routine“ der Gefechtsausbildung im FJB. Dazu standen hervorragende Ausbildungsmittel (Fecht-MPi mit Bajonettattrappen, Übungsmesser und Gummi-Pistolen) und Anlagen zur Verfügung. Neben Nahkampfanlagen im Außenbereich (Gummipuppen, Schlagobjekte aus Gummireifen) sowie speziellen Kampfbahnen, verfügte das FJB auch über Sporthallen mit speziellen Einrichtungen für die MNK-Ausbildung (Schautafeln, Schlagobjekte etc.). Dort war es sogar möglich Nahkampf bei Dunkelheit mittels Lichteffekten (Lichtzerhacker zur Imitation von Feuerstößen) und eingespieltem Gefechtslärm (MPi-Feuer und Schreie) zu trainieren.
3. Abschlußbemerkungen
Auf ihre hohen Leistungen, speziell auch im Nahkampf, sind die ehemaligen Fallschirmjäger/Aufklärer und andere in dieser Art des Kämpfens ausgebildete NVA-Soldaten bis heute stolz. Und dies sicher zu Recht. Neben den Nahkampftechniken und dem Selbstvertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit lernte man in dieser Ausbildung auch:
„Sich selbst zu Besiegen“, vor Härten nicht aufzugeben, Widerstände gezielt zu überwinden und sich „Durchzubeißen“.
Dieser Beitrag kann natürlich den Bereich der Nahkampf-Ausbildung im FJB nicht annähernd umfassend darstellen.